Schweres Wetter voraus

Solange die seit eh und je unterdrückten Völker des Maghreb, des Nahen und Mittleren Ostens noch gegen ihre Diktatoren anzugehen hatten, solange war diese Völker jeweils für sich geeint im Ziel, den Diktator loszuwerden.

Während dies geschrieben wird, berichten Medien von http://www.spiegel.de bis http://www.foxnews.com über das perverse Morden an der eigenen Bevölkerung, das jener ganz besonders durchgeknallte Diktator Muammar al-Gadaffi oder sein Sohn, der wohl zuviele „Landser“-Hefte durchgeblättert hat, zu verantworten haben. Mit Kampfflugzeugen gegen die eigene Bevölkerung – das sind in der Tat Ausmaße an Verbrechertum, die ihresgleichen suchen. Gadaffi war schon lange eine Gefahr, nicht erst seit Lockerbie. Es ist allerhöchste Zeit, daß er weg kommt, meinetwegen auch unter die Erde – ich bin zwar nur in Ausnahmefällen ein Befürworter der Todesstrafe, aber wenn man sich vor Augen hält, vor welche Zerreißprobe ein lebender, abgesetzter Diktator sein Land stellen könnte – man stelle sich nur kurz Hitler 1946 in Nürnberg vor! -, dann wird auch mancher An-sich-Todesstrafengegner vielleicht zustimmen, daß es aus Gründen der Staatsräson, zur Wahrung (oder erst der Schaffung) einer res publica in besonderen Situationen erforderlich sein kann, zu töten. Jedenfalls scheint mir der Tyrannenmord eine zuweilen erforderliche Sünde.

Aber was wird sein, wenn die Stunde der Freiheit geschlagen hat? Ich unterstelle zunächst einmal den Völkern von Ägypten, Tunesien, Oman, Qatar, Syrien, Jordanien und wo auch immer derzeit die Menschen für die Freiheit auf die Straße gehen, die besten Vorhaben. Sie haben alle ein gemeinsames Ziel: ihre Diktatoren loszuwerden. Ein gutes Ziel ist das – wer wollte das bestreiten? Aber eines Tages ist das Ziel erreicht. Und nun kommt die bange Frage: was nun? Wenn die einigende Klammer entfällt, dann droht womöglich Übles.

Es müssen sich gerade die Bürger jener Länder die Frage stellen, wie sie nach Entfernung der Diktatoren für Ruhe, Ordnung, Sicherheit und Stabilität sorgen wollen. Eine schwere Aufgabe, aber um so wichtiger, als sonst das Chaos droht, das die erzielten Erfolge zunichte machte. Es mag ja als langweilig und störend empfunden werden, wenn in die allgemeine Euphorie nach den gewiß schönen Erfolgen der Bürger diese mahnende Stimme sich erhebt, aber wenn all die Unruhen und Selbstbefreiungsversuche, diese durchaus als Beginn einer Aufklärung zu begreifenden Umwälzungen, sowohl erfolgreich als auch völlig chaotisch ausgehen können, dann ist es von grundsätzlicher Bedeutung. Man erinnere sich an den Zweiten Weltkrieg und den Kalten Krieg: Solange das unmittelbare Hauptziel der Alliierten, der Sieg über Hitler, noch nicht erreicht war, arbeiteten sie nolens volens eng zusammen. In dem Moment jedoch, in dem dieses Ziel erreicht war, zerbrach die Koalition und begann mit dem Kalten Krieg eine Auseinandersetzung zwischen denen, die zuvor miteinander verbündet waren.

Gadaffi ist ein perverser Mörder, sein Sohn wohl auch. Kürzlich noch lobte Wikipedia noch die künstlerischen Leistungen dieses Prachtexemplars von Sohn und hob seine Promotion an der London School of Economics hervor (nebenbei: Das ist die gleiche LSE, die von Gadaffi Spenden im hohen sechsstelligen Bereich annahm, deren Think-Tanks merkwürdige, aber auf Gadaffi-Linie liegende Vorschläge zur Lösung des Nahost-Konflikts erbrachten, und die – auch das paßt durchaus ins Bild – eine Diskussionsrunde mit Thilo Sarrazin auf Betreiben ihrer deutschen Studenten (organisiert im, man glaubt es nicht, „Free Speech Committee“ (sich!)  absagte, weil der Mann angeblich untragbar sei; zum Glück ist der Direktor dieses feinen Instituts zurückgetreten und hat so den Weg freigemacht für einen weniger von Tyrannen mitbestimmten Lehrbetrieb.

Eine merkwürdige Allianz von Menschen wie Silvio Berlusconi, Tony Blair, Fidel Castro, Daniel Ortega, Hugo Chávez hat eine merkwürdige Schwärmerei für den Mörder von Tripolis gepflegt (wobei mich Tony Blair hierbei am meisten überrascht). Auch und gerade in der deutschen Linken wurde nie so recht mit Gadaffi gebrochen; ich erinnere mich noch gut an entsprechende Ausfälle des Oskar Lafontaine, als er die gegen Gadaffis Terror-Politik gerichtete US-Außenpolitik mit einer Heftigkeit geißelte, die ich als Geifern wahrnahm.

Nun ist die Lage in Libyen im Fluß, in der Entwicklung begriffen, und niemand vermag zu sagen, wie lange die Agonie des gegenwärtigen Regimes andauern mag. Für die Menschen in diesem Land hat eine schwere Zeit begonnen. Es bleibt zu hoffen, daß es bald gelingt, hier zu friedlichen und wenigstens halbwegs demokratischen und – vor allem! – rechtsstaatlichen Verhältnissen zu kommen, denn nur diese werden eine Entwicklung hin zu mehr Wohlstand ermöglichen, und – machen wir uns alle nichts vor – das ist schließlich noch immer der Hauptzweck solcher Erhebungen.

Nun plagt sich die EU mit der Frage, ob man militärisch eingreifen soll. Laßt es bloß bleiben – das wird eh‘ nichts -, laßt es die Amis machen. Wenn ein Gremium gefunden ist, das von der ganzen Welt als Gegenregierung zu Gadaffi wahrgenommen wird, dann sollen die Amis auf deren Bitte dem Regime Gadaffi den Rest geben, sich aber ansonsten ganz raushalten.

So könnte eine gute Entwicklung erfolgen.

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